ode an die menschheit...
Peng! Schweißgebadet bin ich aufgewacht, soeben, und mitten in der Nacht. Ein Albtraum, ein Wachtraum, gar kein Traum? Klopft die senile Bettflucht bereits an die Tür zu meiner Kammer und lässt mich hochfahren? Sind es die alten Geister, die ich rief? Sind es die Gespenster aus meiner Jugend, von denen ich dachte, dass sie längst wieder hinter Mauern eingemauert von Maurern dahin und dorthin dümpeln und mich nicht mehr erschrecken, wie damals, als sie sich aus den Kinderbüchern erhoben und mir Grauen und Schrecken vermittelten und verbreiteten! Kaffee schlürfend finde ich mich hellwach in der Küche wieder und ertappe mich auf dem iPad googelnd nach dem Ursprung meiner inneren Unruhe, Schlaflosigkeit und Zukunftsangst suchend. Prompt und beharrlich finde ich ihn, den Urquell, schier schlafwandlerisch, im Demografischen Wandel wieder.
Demografischer Wandel der Zeit: Banal, fatal, brutal, global! Das verfluchte und stets geleugnete und nicht gelebte Alter hat mich Kind der Sechzigerjahre eingeholt, drischt mich brutal auf den Boden der allgegenwärtigen Küchenrealität nieder. „Ein Pflegefall bist du!“ So schreit und brüllt es aus allen Ecken und Enden des Raumes heraus auf mich zu, dröhnt wie ein Flughafen in meinem Schädel, schallt und knallt meine imaginären Ohren zu, wie ein Presslufthammer auf der Baustelle des ewigen Lebens und auch im schmierigen Kaffeesatz lese ich nichts Neues und Erbauliches, nichts, was meine Seele erhellen könnte für den Moment. Ja, selbst die weite und breitgefächerte Medienlandschaft verheißt dieser trägen Tage nichts Gutes. „Sohn des Heimatlandes, Bub deines Mutterlandes, gestandener Mann des Vaterlandes: Du bist nicht alleine!“, flattert es durch meine Ganglien und lässt die schlappen und schlaffen Synapsen jauchzen. Überaltert, total senil und kalkalpenkalkverkalkt ist die Kalkalpenrepublik. Und die ewige Jugend hinkt hinterher, kommt einfach nicht nach, hechelt und stöhnt und lechzt und hetzt mit hängender Zunge den Statistiken und Studien hinterher.
Geburtenstark ward ich mit den Wehen eines Aufschreies nach einem neuen und besseren Jahrzehnt durch den dunklen Geburtskanal in die Welt hinausgepresst worden. Jetzt und hier, älter und weiser, dümple ich mit meinen Altersgenossen geografisch definiert genau hier in diesem Land herum und die Fertilität der neuen Stützen des Universums verheißt statistisch nichts Gutes. Selber habe ich in romantischen Nächten zwar für Nachwuchs gesorgt, habe erotisiert und frivol meine Pension befruchtet und geschwängert und auch jene der willigen und bereiten Frau ermöglicht; aufgezogen haben wir, gehätschelt und verwöhnt und jetzt geht alles den Bach hinunter, schön träge, wie eben Wasser talwärts fließt, wenn das Gefälle nicht allzu steil aber doch konstant nach unten strebt.
In diesem Moment will ich die Zeit vor dem Jahr 1850 zurück, als es noch keine statistischen Aufzeichnungen gab. Da konnte man noch blauäugiger in den Tag hineinleben. Man musste sich noch keine Sorgen machen, was irgendwann einmal kommt bzw. nicht kommt, oder doch noch kommen wird, und zwar dicker und fetter und furchterregender und monströser, als man es sich je gedacht hatte.
Da würde ich auch noch schlafen und sachte träumen in Morpheus’ Armen und müsste mir nicht mit Kapselkaffee Energieschübe einverleiben und herbeiführen und die vermaledeite Küchenwand mit grauenvoll geweiteten geröteten Augen angaffen und anstarren als ob sie mir Antwort gäbe auf all meine Fragen. Da würde ich noch dösen, in meiner Kammer, auf meiner Bettstatt mit reinweißen Laken aus Linnen und unbefleckt von aller Panik und Angst, die tagtäglich neu geschürt wird mit allen Methoden die Gott, die, die die Götter aller Religionen verboten haben.
Zogen wir damals vor ein paar Jahrzehnten noch hinaus auf das Land und begründeten die Stadtflucht, pflanzten frohen Mutes und prall in unseren erogenen Zonen Bäume, zeugten unter ebendiesen in lauen Sommernächten Kinder der Liebe und bauten Häuser aus Stein, so stehen unsere Bäume zwar immer noch – wenn nicht gerade einer dieser Stürme wie unlängst der Orkan „Niklas“ als Ausgeburt des Klimawandels wie eine gewaltige meuchelnde Axt über die Wälder unserer gepflanzten Zuversicht und Zukunftsperspektive landesweit hinweggezogen ist. Die liebevoll gezeugten Kinder pfeifen uns zu guter Letzt obendrein aber so etwas von und ziehen entgegen den Spatzen vom Dach zurück in die Städte. Zumindest in die Ballungsräume wandeln sie zurück und somit boomen die Ortschaften ab 10.000 Einwohnern und erfreuen sich großer Zuwachsraten. Getrieben wird es auch, bunt, lasterhaft, verrucht und verwegen, in den Discos, Bars und Clubs der neuen urbanen Metropolen, aber Frucht trägt nicht gleich Frucht, was gesät wird, muss nicht aufgehen. Die Fertilitätsrate geht zurück aber indirekt proportional dazu steigt die Nachfrage an Betreuungsplätzen für Kleinkinder. Eine schräge Optik ist es, die sich da auftut, etwas, das man nicht ganz ins Reine bringen kann mit seiner klaffenden Bildungslücke im Gehirn da droben.
Oder bin ich noch zu nachtschlafen? Wirkt der Kaffee noch nicht? Ich denke im Kreis herum und ziehe mir einen Pullover an, weil es mich fröstelt, ob meinen neuen Erkenntnissen mit dem Demografischen Wandel und ob der ganzen Welt und Umwelt und Weltanschauung.
Da stimmt doch etwas nicht! Ja, da ist doch noch dieser Zuzug in unser Land, der von so vielen verdammt wird. Ausländer, Immigranten, Migrationshintergrund, Zuzügler, Asylanten. Das bedeutet doch auch frisches Blut für unsere Alpenrepublik. Das wollen manche aber nicht erkennen, dass, gäbe es die „Ausländer“ nicht, unser Land beinahe schon ausgestorben wäre. Als typisches Landei, am Land geboren, später in die Stadt gezogen, und ob der Enge betonierter Erhabenheit wieder Hinausgetriebener erkenne ich erst jetzt, dass mit ortsansässiger Vielfalt an Geburten kein Stich gemacht wird im Kartenspiel des Lebens. Blicke ich doch auf meinen Heimatort, der ist mir fern doch immer noch ein Anliegen, so erkenne ich, dass, gäbe es nicht den Zuzug aus fernen Ländern, schon längst die Alarmglocken läuten würden. Die Volks- und Hauptschule, also heute Neue Mittelschule, kann nur noch gehalten werden, da sich die allgemein schulbildungspflichtigen großen Teils aus Migranten zusammensetzen, deren Eltern wiederum auf dem Arbeitsmarkt integriert wurden und einen festen Bestandteil des Wirtschaftswachstums des Ortes darstellen.
Die Wirtschaft hat längst die Kurve gekratzt, sie trieft von Plänen aus dem Sog an Erkenntnissen den die Demografie entfacht hat, ist auf den Zug, der abgefahren schien, längst im letzten Moment noch aufgesprungen. Die Gurus aus der Werbe- und Marketingszene haben sich mächtig ins Zeug gelegt, die Generation 50+ boomt, sie ist mittlerweile Lösung geworden für alle Probleme. Waren die Alten schon immer topfit, werden sie jetzt noch fitter, und Aging, besser gesagt Anti-Aging, ist fette Marktnische geworden. Ein Blick auf Prospekte diverser Anbieter von Thermenurlauben, Tourismus- und Freizeitmekkas ist Spiegelbild des Seins, keiner kommt mehr aus, ohne sie. Sie sind längst Nische und Sicherheit für das Überleben, sind Altar für ein neues Wirtschaftswunder. Auch Firmen greifen wieder zurück auf Mitarbeiter älterer Semester, weil Junggemüse ist rar am Arbeitsmarkt, und wenn doch vorhanden, dann sind sie unreif an Erfahrung und überhaupt
Doch erheben wir unseren Blick über den Tellerrand hinweg, bleiben wir nicht im eigenen Land. Lasst uns auf unsere Nachbarn schauen, neidvoll oder mit noch mehr Grauen? Das Witzige ist ja, dass der demografische Wandel nicht zwischen Armut und Reichtum unterscheidet, er hebt die „Neue Reiche Welt“ genauso aus ihren Angeln wie die Dritte Welt, voll an Armut, Hunger und Schmerz. Gerade in diesen Ländern erwarte ich Otto Normalverbraucher mir eher eine Verjüngung durch unverhütetes Sexualleben und eine hohe Sterblichkeitsrate durch Naturkatastrophen, Krankheiten und Seuchen. Das dem nicht so ist, beweisen wiederum die Statistiken, die nur so strotzen von funkelnden Zahlen der Überalterung. Eine erfreuliche Aussicht an und für sich, doch ähnlich wie in den Industrieländern entstehen dadurch auch Probleme. Die Prognosen der Vereinten Nationen sind weitreichend, sie zeigen aber nicht nur, dass die Weltbevölkerung mindestens bis 2050 weiter stetig anwachsen und vor allem auch der Anteil, der in den Städten lebenden Menschen, ansteigen wird. Sie zeigen auch, dass die Wachstumsrate der Weltbevölkerung ihren maßgeblichen Höhepunkt bereits überschritten hat, die Zahl der Erdbewohner also von Jahr zu Jahr immer langsamer wächst. Dies gilt natürlich nicht für alle Länder der Welt im gleichen Maße. In vielen afrikanischen Ländern ist das Bevölkerungswachstum nahezu ungebremst, während es in Südasien, Lateinamerika und vor allem Ostasien schon stark rückläufig ist, in Westeuropa sogar mehr oder weniger bei Null liegt und in Osteuropa schon in den negativen Bereich übergegangen ist. Hier schrumpft die Bevölkerung um bis zu einem halben Prozent pro Jahr. So geht auch in den Entwicklungsländern die Zahl der Kinder pro Frau rapide zurück. Entgegen allen Prognosen werden sich auch dort die Menschen der Tatsache bewusst, dass eine bessere Hygiene, Medizin und Ernährungsversorgung einen höheren Anteil der Kinder überleben lässt, so, dass Paare nicht mehr viele Kinder auf die Welt bringen müssen, damit wenigstens zwei oder drei mit höherer Wahrscheinlichkeit überleben können. Zudem gibt es mittlerweile auch in einigen Entwicklungsländern Alterssicherungs- und Pensionssysteme, so dass ältere Menschen dort nicht mehr vollständig von der Versorgung durch die eigenen Kinder abhängig sind.
Es ist Zeit geworden, gesegnete Pfade voll an Zuversicht und Glorie zu verlassen und augenzwinkernd nicht aufzugeben, dem demografischen Wandel der Zeit entgegenzuwirken und ihn mit einem Male zu bannen, ihn aus unseren Gehirnen zu verbannen. Wir dürfen nicht unsere Köpfe in den Sand stecken, wir müssen aufstehen, auferstehen, uns die Asche aus den Kleidern schütteln und wach werden, unsere Trägheit hilft keinem System.
So wie ich langsam wach werde, nach zu viel Kaffee und einer Überdosis Morgendämmerung da draußen und gerade manifest und episch an meine älteste Tochter denken muss, die in den nächsten Tagen, Stunden, Minuten ihr Kind gebären wird. Für sich entbinden wird, als Kind der Liebe aus ihrem mannigfaltigen Wunsch, ein Kind haben zu müssen, gleichzeitig ein Kind als Bindeglied für die gelebte und Fleisch gewordene Beziehung zu ihrem Partner hin geboren zu haben, als Ausdruck aller Liebe und eigener schöpferischer Kraft auch für ihn. Und als Erfüllung für das globale System, für sich, als Zahler, Schöpfer und Erwirker, als Mastermind der eigenen Pension und der Rente des Geliebten, als Denkmal, für das „Sich-verewigen-für-alle-Zeiten“, als Kommazahl einer Statistik für den demografischen Wandel fürderhin.
Das Thema „demografischer Wandel“ ließe sich in die Länge und Breite ziehen wie Strudelteig, ausgezogener Strudelteig; und belegen mit Topfen (Man redet und schreibt Topfen einher!), Äpfeln und Birnen (Es gibt ja diesen Unspruch: Vergleiche nicht Äpfel mit Birnen!) bis zur Unendlichkeit und noch viel weiter. So wandelbar der Begriff ist, so wandelt es mich kaffeetrunkenen Adrenalinjunkie von einem Kücheneck zum anderen. Langsam, ganz langsam, kriecht die Müdigkeit in meine Glieder. Leichtfüßig und dennoch hartnäckig wie ein wildes Tier. Ich will einfach nicht mehr nachdenken müssen, will nicht noch mehr Katastrophenszenarien und Weltverschwörungstheorien prophezeien und heraufbeschwören. Statistiken sind gut, sind schön, sind plausibel manchmal, so manches Mal auch nur da, um der Gier nach dem schnöden Mammon Genüge zu tun. Was die eine Partei der Mächtigen in Auftrag gibt, das wird geschönt, um der anderen Partei an noch mächtigeren Kontrahenten, ebenfalls Paroli zu bieten.
Vom demografischen Wandel lasst euch nicht erschrecken,
sein fahles Antlitz grinst euch an aus allen Ecken,
bleibt eurer Linie dennoch stets getreu,
ganz von selbst trennt Weizen sich von der Spreu!
Die Küche bricht langsam über mir zusammen. Grauen umfängt mich mehr als die Freude auf den angebrochenen Tag. Über mir, meine Lieben schlafen den Schlaf der Gerechtigkeit in ihren Himmelbetten. Warum sollen sie sich auch grämen, hochfahren von ihren Nachtlagern, vom Schock der Demografie in ihren Träumen? Es ist mein Thema, das mich beschäftigt, und es wird mein Thema bleiben, bis ich es wieder wie das ungeliebte Frühstück vom Tablett wische, weil es mir nicht schmeckt, bzw. es mit einem Wisch vom iPad verpulvere, also bildlich vom Tablet wische, weil es mir nicht genehm ist.
Mag jetzt selber Guru sein und Yogi in meinem, einem roten Faden gleichstehendem Leitthema, und anderen, die noch schlafen, mag ich mit Rat und Tat zur Seite stehen, dass, wenn sie erwachen und mit dem Demografischen Wandel auf irgendeine seltsame Art und Weise konfrontiert werden, Hilfe anbieten und mag ihnen einen Kaffee aus meiner Küche aufwarten.
Stehen wir gemeinsam auf, lehnen wir uns auf und sind stolz dagegen, gegen die Zeichen der Zeit, gegen die Strömungen der Welt. Schlagen wir der allgegenwärtigen Erdanziehungskraft ein Schnippchen und ziehen wir unsere Schwerter der Satire aus ihren Scheiden heraus und nehmen den Kampf auf gegen den Demografischen Wandel. Lassen wir aufhorchen mit neuen Erkenntnissen, folgen wir nicht den Demagogen die das Sagen haben weltweit, befehlen wir anstatt der Obrigkeit im Staate ein Rauchgebot statt -verbot für alle im Land ab 30, legalisieren wir harte Drogen, allen voran Crystal Meth – zu lange haben wir schon gelogen – hören wir auf, Gratiskondome zu verteilen, versenken wir die Steuern auf Alkohol und Nikotin im Ozean der Ignoranz, kappen wir die Kabel der medizinischen Versorgung im Land, lassen wir die Spitäler finanziell ausbluten.
Lasst uns gemeinsam die Sterblichkeit erhöhen. Live hard, die young...
Bonjour tristesse! Fangen wir also heute an und verwerfen schon von Beginn an die nächste, Generationen übergreifende Studie, und erwarten still und leise, gebannt, hoffnungsfroh, demütig und gläubig, was noch alles an Neuem zukommt auf uns. Seien wir gewappnet, für das Unermessliche und verschließen wir die Augen vor der statistischen Zukunft, bzw., so denke ich: Wir wollen es gar nicht mehr wissen, was noch alles auf uns losbrechen wird. Horrorszenarien überlassen wir lieber den Produktionsfirmen Hollywoods. Leben wir statt dessen friedlich und glücklich aneinander einher und überlassen es dem Leben, überlassen wir es der Zukunft, überlassen wir es der Grundvernunft, die die Menschen leitet und lenkt und zügelt zugleich bei allem Übermut, in die Bahnen einzulenken, die förderlich sind, einer schöneren und besseren Welt entgegen zu streben.